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Das Phänomen «Yips»

Artikel von Dr.med. Martin Lauterburg in DRIVE, das Magazin zum Golfsport, Ausgabe November 2002, S. 54-56.

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Die Golferkrankheit «Yips» verursacht weder Schmerzen noch Fieber.Meist befällt sie den Golfer heimtückisch bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Einlochen auf dem Green. Besonders tragisch ist die Tatsache, dass je besser man Golf spielt und je tiefer das Handicap wird, umso grösser die Chance ist, von dieser schwer heilbaren Krankheit befallen zu werden.

Stellen Sie sich vor, Sie spielen an einem wunderschönen Herbsttag Golf, alles läuft bestens. Beim Loch 12, einem Par 5, schlagen Sie wie ein Meister ab. Beim zweiten Schlag fliegt der Ball weit und mitten auf das Fairway. Dies bringt Sie nun in eine gute Position, die Fahne anzugreifen.Mit einem Eisen 9 landet Ihr Ball auf dem Green, rollt leicht zur Fahne aus und bleibt knapp einen Meter vom Loch entfernt liegen. Die Chancen stehen gut, an diesem Loch mit Ihrem nächsten Schlag, einem Einmeter-Putt, ein Birdie zu spielen. Sie sprechen den Ball auch vertrauensvoll an, doch just in dem Moment, als Sie ihn mit Ihrem Putter treffen wollen,machen Sie eine unwillkürliche, brüske Bewegung, und der Ball rollt weit am Loch vorbei. Jetzt wissen Sie, dass auch Sie an Yips leiden.

Von Tommy Armour geprägt

Der golfspezifische Begriff Yips wurde erstmals von Tommy Armour geprägt, welcher wegen dieser Art der Behinderung beim Putten als Professional mit dem Turniergolf aufhören musste.Dieses noch unbekannte und wenig erforschte Phänomen Yips äussert sich bei Golfern meist in krampfartigem Zittern, Zucken oder ruckartigen Bewegungen, und zwar typischerweise beim Putten, welches dadurch praktisch nicht mehr adäquat und präzise durchgeführt werden kann. Wenn man bedenkt,wie wichtig das Putten für einen guten Score ist, wird sofort klar, dass Yips eine «tödliche Krankheit» ist, zumindest für das eigene Golfspiel. Nicht nur bei Golfern, auch bei Kricketspielern sind gehäuft Yips-ähnliche Störungen beim Ausüben einer koordinierten motorischen Bewegung anzutreffen. Typischerweise tritt dieses Phänomen unter grosser mentaler Anstrengung  auf, wenn gleichzeitig eine präzise, gut koordinierte motorische Bewegung ausgeführt werden soll. So leiden Stenographen und Schriftsteller an Schreibkrampf, und auch Musiker oder Zahnärzte können krampfartige Zuckungen oder Blockierungen aufweisen.

Da vorwiegend ruckartige Bewegungen wie Zuckungen auftreten, wurde vorgeschlagen, Yips zu den fokalen Dystonien zu zählen, die in der Medizin als Zuckungen der Augenlider oder des Kopfes schon bekannt sind. Im Unterschied dazu verursacht Yips die Zuckungen aber in den Vorderarmen und Händen. Yips kann sich nicht nur als plötzliche ruckartige Bewegung oder als nicht kontrollierbares Zittern und Zucken äussern, ebenso kann unter Yips eine Blockierung der Putt-Bewegung auftreten, indem Golfer in der Putt-Stellung verharrend den Putter nicht mehr bewegen können.

Unberechenbares Erscheinen

Golfer, die an Yips leiden, haben nicht jedes Mal beim Golfen ihre Symptome. So kann es vorkommen, dass auf mehreren, meist Trainingsrunden, «nichts» passiert und dann plötzlich die Symptome wieder da sind. Diese Unberechenbarkeit belastet das Vertrauen des Golfers in sein Putten zusätzlich. Aus

«Yips holt sich seine Opfer nicht auf Trainingsrunden, Yips ist eine Turnierkrankheit»

Tommy Armour

Untersuchungen geht hervor, dass Yips unter starker psychischer oder mentaler Belastung, wie beispielsweise an Turnieren, vermehrt auftritt. Deshalb wurde auch vermutet, dass es sich um eine psychisch verursachte motorische Störung durch Wettkampfnervosität handelt, analog den verbalen Aussetzern beim Lampenfieber vor der Fernsehkamera oder bei Vorträgen.

Auch Langer, Snead oder Hogan

An Yips erkranken fast ausnahmslos Golfer mit tiefem Handicap (unter 12) und Professionals, die daher meist ältere und erfahrene Spieler sind, die seit mehr als 25 Jahren durchschnittlich bis zu 72 Runden pro Jahr spielen. Besonders gefährdet sind Golfspieler, die unter Wettkampfbedingungen zusätzlich nicht genügend stressbeständig sind. Unter den Professionals waren Tommy Armour, Sam Snead, Ben Hogan und Bernhard Langer die bekanntesten Spieler, die an Yips litten.

Untersuchungen an Golfern mit Yips haben gezeigt, dass zu intensives mentales Vorbereiten eines Putts, mit langem Studieren der Putt-Linie, der Schlagrichtung und des Tempos vermehrt Yips-Symptome auslösen kann. Vor allem bei kurzen Putts scheinen Golfer auf Yips besonders anfällig zu sein.Am kritischsten ist eine Ball–Loch- Distanz von 0,9 Metern, gefolgt von 1,2 Metern bzw. 0,6 Metern. Zusätzlich lösen Putts, welche von links nach rechts seitlich abfallen, interessanterweise vermehrt die Yips-Symptome aus.

Ursache vorderhand ungeklärt

Die Ursache von Yips bleibt weiterhin unklar.Vieles spricht dafür, dass es sich um eine neurophysiologische Störung handelt, wobei mittlerweile auch biochemische Änderungen im Gehirn selbst diskutiert werden. Da Yips meist unter psychischer und mentaler Belastung auftritt, wurde auch vermutet, dass es sich um eine rein psychische Störung handeln könnte. Neuere Untersuchungen hingegen sprechen eher dafür, dass Yips durch eine Kombination einer neurophysiologischen und einer psychischen Störung hervorgerufen wird, wobei psychischer Stress alleine Yips nicht auszulösen vermag, sondern vorwiegend für die Verstärkung und Verschlimmerung der Symptome verantwortlich ist. Interessant ist auch die Vorstellung, dass Yips durch ein gestörtes Zusammenspiel von Hirnarealen beziehungsweise Hirnhälften verursacht werden könnte. Für eine komplexe Aufgabe wie das Putten werden verschiedene Hirnfunktionen in unterschiedlichen Arealen beansprucht. Die Grosshirnrinde ist für das Verarbeiten von komplexen Sinnesnachrichten, aber auch für Leistungen wie Sprechen, Lernen und Denken sowie für das Gedächtnis und die Entwicklung von Handlungskonzepten zuständig.Tiefere Regionen sind für die Steuerung von Emotionen und Motivation verantwortlich, das Zwischenhirn ist als Steuerungs-und Koordinationszentrum wichtig und vom Mittelhirn gehen Aufmerksamkeit und Wachsamkeit sowie die Steuerung der Augenbewegungen aus, und aufgrund des Lagesinnes und Gleichgewichtes wird das Kleinhirn für die Koordination von motorischen Bewegungen beansprucht.

Zusammenspiel der Hirnhälften

Bekannt ist bisher, dass die so genannt dominante, linke Hirnhälfte eines Rechtshänders mehr für analytische Funktionen wie das Denken und Rechnen und die mehr emotionale und als subdominant bezeichnete rechte Hirnhälfte mehr für das Visualisieren von konkreten geometrischen und räumlichen Prozessen zuständig ist. Daher wäre es denkbar, dass Yips durch ein gestörtes Zusammenspiel der linken und rechten Hirnhälfte verursacht wird. Immerhin konnte durch sportpsychologische Untersuchungen von D. Crews der Arizona State University gezeigt werden, dass Golfer, die unter gleichen Stress- und Nervositätsbedingungen schlechter Putten, eine aktivere linke Hirnhälfte aufweisen als Golfer, die beide Hirnhälften gleich aktiv benützen und auch besser Putten.

Gezielte Behandlung ist schwierig

Die exakte Ursache von Yips ist nach wie vor nicht bekannt, und eine gezielte Behandlung ist daher schwierig. Einen wichtigen Behandlungspfeiler stellt ein gezieltes mentales Training dar. Dabei werden durch verschiedene Techniken Entspannung, Visualisierung und positives Denken verbessert. Zurzeit wird anhand einer Studie der Mayo Klinik untersucht, ob die bisher in der medikamentösen Therapie eingesetzten Blocker, welche Herzklopfen vermindern, Patienten mit Yips helfen können.

Ein anderer Therapieansatz besteht darin, die Vorderarme beim Putten passiver zu lassen und den Putt vermehrt mit den Schultern auszulösen.

Hilfreiche Langputter

Eine weitere Möglichkeit, das Putten zu verändern, besteht darin, einen Langputter zu benützen. Dies hat zum Beispiel Bernhard Langer erlaubt, sein Yips-Problem zu lösen und sich auf der PGA Tour wieder erfolgreich zurückzumelden. Empfohlen wird auch das Benützen eines modifizierten Griffes beim Putten, sei es der Cross-handed- Griff, der Langer-Griff oder der Sidesaddle-Griff, um das Auftreten von Yips zu verhindern.

Wenn das Zucken im dümmsten Moment den Ball am Loch vorbeirollen lässt: Vor allem tiefe Handicapper sind Yips-gefährdet.

 

 

«Yips» Multizenter-Studie der Mayo Klinik Smith AM et al. Sports Med. 2000 Dec;30(6):423-37

Die Häufigkeit von Yips wurde an Turniergolfspielern mit einem tiefen Handicap (unter 10) untersucht.Von den 2630 angefragten Golfern haben 1031 Spieler (39%) geantwortet und den Fragebogen ausgefüllt zurückgeschickt. 25% der 1031 vorwiegend männlichen Golfer berichteten über Yips-Symptome. Unter der Annahme,dass auch maximal 25% der Spieler, die nicht geantwortet haben, an Yips leiden,wurde die Häufigkeit von Yips bei Golfern mit einem Handicap (<10) auf 25–33% geschätzt. Die untersuchten Spieler mit Yips zeigten in dieser Untersuchung eine höhere Grundaktivität in der Vorderarm- und Handmuskulatur und im Vergleich zu einer normalen Griffstärke von rund 1 kg einen bis zu dreimal stärkeren Griff (2,5–3 kg). Die gleiche Untersuchung stellt fest, dass Golfer mit Yips durchschnittlich einen um 8% höheren Puls beim Putten aufweisen und durchschnittlich durch das schlechtere Putten 4,7 Schläge auf einer 18-Loch-Golfrunde verlieren.

 

 

 

 

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