Die Golferkrankheit
«Yips» verursacht weder Schmerzen
noch Fieber.Meist befällt sie den Golfer
heimtückisch
bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem
Einlochen auf dem Green. Besonders tragisch ist die Tatsache, dass je
besser man Golf spielt und je tiefer
das Handicap wird,
umso grösser die Chance ist,
von dieser schwer heilbaren
Krankheit befallen zu
werden.
Stellen Sie sich vor, Sie spielen an einem wunderschönen
Herbsttag Golf, alles läuft bestens. Beim Loch 12, einem Par 5, schlagen
Sie wie ein Meister ab. Beim zweiten Schlag fliegt der Ball weit und
mitten auf das Fairway. Dies bringt Sie nun in eine gute Position, die
Fahne anzugreifen.Mit einem Eisen 9 landet Ihr Ball auf dem Green, rollt
leicht zur Fahne aus und bleibt knapp einen Meter vom Loch entfernt
liegen. Die Chancen stehen gut, an diesem Loch mit Ihrem nächsten Schlag,
einem Einmeter-Putt, ein Birdie zu spielen. Sie sprechen den Ball auch
vertrauensvoll an, doch just in dem Moment, als Sie ihn mit Ihrem Putter
treffen wollen,machen Sie eine unwillkürliche, brüske Bewegung, und der
Ball rollt weit am Loch vorbei. Jetzt wissen Sie, dass auch Sie an Yips
leiden.
Von Tommy Armour geprägt
Der golfspezifische Begriff Yips wurde erstmals von Tommy
Armour geprägt, welcher wegen dieser Art der Behinderung beim Putten als
Professional mit dem Turniergolf aufhören musste.Dieses noch unbekannte
und wenig erforschte Phänomen Yips äussert sich bei Golfern meist in
krampfartigem Zittern, Zucken oder ruckartigen Bewegungen, und zwar
typischerweise beim Putten, welches dadurch praktisch nicht mehr adäquat
und präzise durchgeführt werden kann. Wenn man bedenkt,wie wichtig das
Putten für einen guten Score ist, wird sofort klar, dass Yips eine
«tödliche Krankheit» ist, zumindest für das eigene Golfspiel. Nicht nur
bei Golfern, auch bei Kricketspielern sind gehäuft Yips-ähnliche Störungen
beim Ausüben einer koordinierten motorischen Bewegung anzutreffen.
Typischerweise tritt dieses Phänomen unter grosser mentaler Anstrengung
auf, wenn gleichzeitig eine präzise, gut koordinierte motorische Bewegung
ausgeführt werden soll. So leiden Stenographen und Schriftsteller an
Schreibkrampf, und auch Musiker oder Zahnärzte können krampfartige
Zuckungen oder Blockierungen aufweisen.
Da vorwiegend ruckartige Bewegungen wie Zuckungen
auftreten, wurde vorgeschlagen, Yips zu den fokalen Dystonien zu zählen,
die in der Medizin als Zuckungen der Augenlider oder des Kopfes schon
bekannt sind. Im Unterschied dazu verursacht Yips die Zuckungen aber in
den Vorderarmen und Händen. Yips kann sich nicht nur als plötzliche
ruckartige Bewegung oder als nicht kontrollierbares Zittern und Zucken
äussern, ebenso kann unter Yips eine Blockierung der Putt-Bewegung
auftreten, indem Golfer in der Putt-Stellung verharrend den Putter nicht
mehr bewegen können.
Unberechenbares Erscheinen
Golfer, die an Yips leiden, haben nicht jedes Mal beim
Golfen ihre Symptome. So kann es vorkommen, dass auf mehreren, meist
Trainingsrunden, «nichts» passiert und dann plötzlich die Symptome wieder
da sind. Diese Unberechenbarkeit belastet das Vertrauen des Golfers in
sein Putten zusätzlich. Aus
«Yips holt sich seine Opfer
nicht auf Trainingsrunden, Yips ist eine Turnierkrankheit»
Tommy Armour
Untersuchungen geht hervor, dass Yips unter starker
psychischer oder mentaler Belastung, wie beispielsweise an Turnieren,
vermehrt auftritt. Deshalb wurde auch vermutet, dass es sich um eine
psychisch verursachte motorische Störung durch Wettkampfnervosität
handelt, analog den verbalen Aussetzern beim Lampenfieber vor der
Fernsehkamera oder bei Vorträgen.
Auch Langer, Snead oder Hogan
An Yips erkranken fast ausnahmslos Golfer mit tiefem
Handicap (unter 12) und Professionals, die daher meist ältere und
erfahrene Spieler sind, die seit mehr als 25 Jahren durchschnittlich bis
zu 72 Runden pro Jahr spielen. Besonders gefährdet sind Golfspieler, die
unter Wettkampfbedingungen zusätzlich nicht genügend stressbeständig sind.
Unter den Professionals waren Tommy Armour, Sam Snead, Ben Hogan und
Bernhard Langer die bekanntesten Spieler, die an Yips litten.
Untersuchungen an Golfern mit Yips haben gezeigt, dass zu
intensives mentales Vorbereiten eines Putts, mit langem Studieren der
Putt-Linie, der Schlagrichtung und des Tempos vermehrt Yips-Symptome
auslösen kann. Vor allem bei kurzen Putts scheinen Golfer auf Yips
besonders anfällig zu sein.Am kritischsten ist eine Ball–Loch- Distanz von
0,9 Metern, gefolgt von 1,2 Metern bzw. 0,6 Metern. Zusätzlich lösen
Putts, welche von links nach rechts seitlich abfallen, interessanterweise
vermehrt die Yips-Symptome aus.
Ursache vorderhand ungeklärt
Die Ursache von Yips bleibt weiterhin unklar.Vieles
spricht dafür, dass es sich um eine neurophysiologische Störung handelt,
wobei mittlerweile auch biochemische Änderungen im Gehirn selbst
diskutiert werden. Da Yips meist unter psychischer und mentaler Belastung
auftritt, wurde auch vermutet, dass es sich um eine rein psychische
Störung handeln könnte. Neuere Untersuchungen
hingegen sprechen eher dafür, dass Yips durch eine Kombination einer
neurophysiologischen und einer psychischen Störung hervorgerufen wird,
wobei psychischer Stress alleine Yips nicht auszulösen vermag, sondern
vorwiegend für die Verstärkung und Verschlimmerung der Symptome
verantwortlich ist. Interessant ist auch die Vorstellung, dass Yips durch
ein gestörtes Zusammenspiel von Hirnarealen beziehungsweise Hirnhälften
verursacht werden könnte. Für eine komplexe Aufgabe wie das Putten werden
verschiedene Hirnfunktionen in unterschiedlichen Arealen beansprucht. Die
Grosshirnrinde ist für das Verarbeiten von komplexen Sinnesnachrichten,
aber auch für Leistungen wie Sprechen, Lernen und Denken sowie für das
Gedächtnis und die Entwicklung von Handlungskonzepten zuständig.Tiefere
Regionen sind für die Steuerung von Emotionen und Motivation
verantwortlich,
das Zwischenhirn ist als Steuerungs-und Koordinationszentrum wichtig und
vom Mittelhirn gehen Aufmerksamkeit und Wachsamkeit sowie die Steuerung
der Augenbewegungen aus, und aufgrund des Lagesinnes und Gleichgewichtes
wird das Kleinhirn für die Koordination von motorischen Bewegungen
beansprucht.
Zusammenspiel der Hirnhälften
Bekannt ist bisher, dass die so genannt
dominante, linke Hirnhälfte eines Rechtshänders mehr für analytische
Funktionen wie das Denken und Rechnen und die mehr emotionale und als
subdominant bezeichnete rechte Hirnhälfte mehr für das Visualisieren von
konkreten geometrischen und räumlichen Prozessen zuständig ist. Daher wäre
es denkbar, dass Yips durch ein gestörtes Zusammenspiel der linken und
rechten Hirnhälfte verursacht wird. Immerhin konnte durch
sportpsychologische Untersuchungen
von D. Crews der Arizona State University gezeigt werden, dass Golfer, die
unter gleichen Stress- und Nervositätsbedingungen schlechter Putten, eine
aktivere linke Hirnhälfte aufweisen als Golfer, die beide Hirnhälften
gleich aktiv benützen und auch besser Putten.
Gezielte Behandlung ist schwierig
Die exakte Ursache von Yips ist nach wie vor nicht
bekannt, und eine gezielte Behandlung ist daher schwierig. Einen wichtigen
Behandlungspfeiler stellt ein gezieltes mentales Training dar. Dabei
werden durch verschiedene Techniken Entspannung, Visualisierung und
positives Denken verbessert. Zurzeit wird anhand einer Studie der Mayo
Klinik untersucht, ob die bisher in der medikamentösen Therapie
eingesetzten Blocker, welche Herzklopfen vermindern, Patienten mit Yips
helfen können.
Ein anderer Therapieansatz besteht darin, die Vorderarme
beim Putten passiver zu lassen und den Putt vermehrt mit den Schultern
auszulösen.
Hilfreiche Langputter
Eine weitere Möglichkeit, das Putten zu verändern, besteht
darin, einen Langputter zu benützen. Dies hat zum Beispiel Bernhard Langer
erlaubt, sein Yips-Problem zu lösen und sich auf der PGA Tour wieder
erfolgreich zurückzumelden. Empfohlen wird auch das Benützen eines
modifizierten Griffes beim Putten, sei es der Cross-handed- Griff, der
Langer-Griff oder der Sidesaddle-Griff, um das Auftreten von Yips zu
verhindern.
Wenn das Zucken im dümmsten Moment den
Ball am Loch vorbeirollen lässt: Vor allem
tiefe Handicapper sind Yips-gefährdet. |
«Yips» Multizenter-Studie der Mayo Klinik Smith AM et al.
Sports Med. 2000 Dec;30(6):423-37
Die
Häufigkeit von Yips wurde an Turniergolfspielern mit
einem tiefen Handicap
(unter 10) untersucht.Von den 2630 angefragten Golfern haben 1031 Spieler
(39%) geantwortet und den Fragebogen ausgefüllt zurückgeschickt. 25% der
1031 vorwiegend männlichen Golfer berichteten über Yips-Symptome.
Unter der Annahme,dass auch maximal 25% der
Spieler, die nicht geantwortet haben, an Yips leiden,wurde die Häufigkeit
von Yips bei Golfern mit einem Handicap (<10) auf 25–33% geschätzt. Die
untersuchten Spieler mit Yips zeigten in dieser Untersuchung eine höhere
Grundaktivität in der Vorderarm- und Handmuskulatur und im Vergleich zu
einer normalen Griffstärke von rund 1 kg einen bis zu dreimal stärkeren
Griff (2,5–3 kg). Die gleiche Untersuchung stellt fest, dass Golfer mit
Yips durchschnittlich einen um 8% höheren Puls beim Putten aufweisen und
durchschnittlich durch das schlechtere Putten 4,7 Schläge auf einer
18-Loch-Golfrunde verlieren.
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