Immer häufiger
trifft man an
schulfreien Mittwochnachmittagen Kinder,
die auf
den Driving-Ranges ihre Golfschläger schwingen.
Doch ist Golf als Sport überhaupt für Kinder geeignet?
Und falls ja, ab welchem Alter? Wo liegen die Gefahren
aus orthopädischer bzw. sportmedizinischer
Sicht, und was sollten Golflehrer und Eltern beachten?
Vor dem erschreckenden Hintergrund, dass
mittlerweile bereits auch unsere Kinder und Jugendlichen an Bewegungsmangel
leiden, ist jede körperliche oder sportliche Betätigung, die dieser Tatsache
entgegenwirkt, so auch das Golfen, sinnvoll.Die regelmässige sportliche
Betätigung steigert nicht nur die Leistungsfähigkeit von Kindern und
Jugendlichen in körperlicher, geistiger und sozialer Hinsicht, sondern sie wirkt
sich auch positiv auf das Herz-Kreislauf-System und das Selbstvertrauen
aus.Wobei Golf im Speziellen besonders gut geeignet ist, vorwiegend die
koordinativen Fähigkeiten zu fördern.
Den Belastungen gewachsen?
So wie zu geringe körperliche Betätigung die
Entwicklung beeinträchtigen kann,so bergen auch Sportbelastungen Gefahren für
die Entwicklung und Reifung des kindlichen und jugendlichen Bewegungsapparates.
Immerhin sind 20–40% aller Verletzungen im Wachstumsalter alleine durch Sport
verursacht, davon
2/3 im Vereinssport und 1/3 in der Freizeit bzw. im
Schulsport. Im Vergleich dazu ereignen sich 40–50% der Unfälle beim Spielen zu
Hause und 10–20% im Strassenverkehr.Sportliche Belastungen können aber alleine
schon dadurch zu Verletzungen bei Kindern und Jugendlichen führen, weil der
kindliche Bewegungsapparat den Belastungen noch nicht «gewachsen» ist oder wenn
Eltern und Trainer mit überhöhten Leistungserwartungen im Leistungs- und
Vereinssport die Belastungs- und Trainingsintensität nicht der kindlichen
Belastbarkeit anpassen. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang die
Tatsache, dass die Auswirkungen solcher Überbelastungen unmittelbar häufig noch
keine Beschwerden verursachen und man sich daher in falscher Sicherheit wähnt,
bis sich häufig erst im Alter von 25–35 Jahren die Sportschäden langsam
bemerkbar machen, dann, wenn es leider häufig bereits zu spät ist.
Wer also Kinder und Jugendliche zu sportlichen Leistungen, auch
im Golf, motiviert, trainiert oder betreut, muss auch die Verantwortung
übernehmen und die Belastungsintensität dem jeweiligen Entwicklungsstand
anpassen können. Dazu sind Kenntnisse der normalen Entwicklungsprozesse von
Kindern und Jugendlichen, die nicht einfach als ein Kleinformat eines
Erwachsenen betrachtet werden dürfen, notwendig. Neben der
Persönlichkeitsentwicklung steht vor allem die enorme Gestaltsveränderung, die
sich zwischen dem frühen Schulkindalter (6 Jahre) und dem Abschluss des
Längenwachstums im jungen Erwachsenenalter (25 Jahre) abspielt, im Vordergrund.
Diese Entwicklung ist aber keineswegs kontinuierlich, sondern zeigt eine
ausgeprägte phasenhafte Entwicklungsdynamik. Gerade während solchen
Entwicklungsschüben ist der kindliche bzw. jugendliche Bewegungsapparat
besonders belastungssensibel, und die hier gesetzten Schäden am Bewegungsapparat
sind meist irreversibel und können daher Funktionalitätseinbussen zur Folge
haben. Die sportliche Belastung, welche als die individuell verschieden
ausgeprägte Fähigkeit des Organismus definiert wird, eine sportliche
Beanspruchung ohne gesundheitliche Störung zu verarbeiten, muss deshalb dauernd
der sich wechselnden Belastbarkeit des Bewegungsapparates angepasst werden.
Permanente Veränderung
Die Antwort auf die Frage, ob Golf für Kinder und Jugendliche
überhaupt eine geeignete Bewegungsform darstellt, ist sowohl von der sportlichen
Belastbarkeit des Bewegungsapparates im Kindes- und Jugendalter als auch von den
zu erwartenden Belastungen bzw. Verletzungen beim Golf abhängig.Medizinisch
gesehen ist der Bewegungsapparat von Kindern und Jugendlichen während des
physiologischen Reifungs- und Entwicklungsprozesses einer permanenten
Veränderung unterworfen. So weist der kindliche Knochen, im Vergleich zu dem des
jungen Erwachsenen, eine wesentlich höhere Elastizität auf, ist aber besonders
gegenüber Zug- und Druckkräften anfällig. Die empfindlichsten Strukturen, welche
bei Schädigung zu Wachstumsstörungen führen können, sind die für das
Längenwachstum wichtigen Wachstumsfugen sowie die Knorpelüberzüge der Gelenke,
während Sehnen,Kapsel- und Bandapparat im Kindesalter enorm belastbar sind. In
Bezug auf die Muskulatur verfügen Kinder zwar über ausgezeichnete
Ausdauerfähigkeiten, jedoch sind sie in der Schnell- und Maximalkraft, auch
wegen der schlechteren Kontraktionsund Entspannungsfähigkeit, physiologisch noch
limitiert. Dafür verfügen Kinder im frühen und späten Schulkindalter über
hervorragende koordinative Fähigkeiten, die in dieser Zeit besonders gut
trainiert werden können, während Krafttraining mit Gewichten sowie
«Überkopfarbeit» mit Hanteln aus orthopädischer Sicht im Wachstumsalter nicht
sinnvoll sind.
Geschlechtsbedingte Unterschiede
Im Schulkindalter ist die Belastbarkeit des Stützapparates von
Mädchen und Knaben noch etwa gleich. Erst mit Einsetzen der Pubertät, im Alter
von 11–13 Jahren bei den Mädchen bzw. 12–15 Jahren bei den Knaben, und der
hormonellen Umstellung bis zur vollständigen geschlechtlichen Entwicklung kommt
es zur unterschiedlichen Ausprägung und Belastbarkeit des weiblichen bzw.
männlichen Bewegungsapparates, indem Mädchen einen koordinativ-motorischen
Vorsprung aufweisen sowie als Folge des Östrogeneinflusses (Weichmacherfunktion)
dehnbarere Bänder und beweglichere Gelenke, während sich bei Knaben unter
Androgen- und Testosteroneinfluss Muskelmasse, Kraft sowie die höhere
Knochenfestigkeit ausbilden. Höhere Trainingsbelastungen können daher bei beiden
Geschlechtern erst mit Abschluss der Adoleszenz vom Bewegungsapparat toleriert
werden.
Vor Überbelastungen schützen
Auswirkungen von intensiven Trainings- und Spielbelastungen beim
Golfen auf den kindlichen Bewegungsapparat sind bisher noch nicht untersucht
worden. Die Daten und Erkenntnisse aus anderen Sportarten wie Kunstturnen,
Schwimmen und Leichtathletik zeigen, dass vor allem passive Druckimpulse auf
Knochen und Knorpel, passive schlagartige Zugimpulse auf Muskeln, Sehnen und
Bänder sowie nichtachsengerechte Scherkräfte und vor allem wiederholte
beschleunigte Torsionsbelastungen besonders gefährlich sind und ein erhöhtes
Verletzungsrisiko für den Bewegungsapparat im Wachstumsalter darstellen.
Intensiv untersucht wurde auch die Entstehung von Wachstumsstörungen der
Wirbelsäule. Man geht heute davon aus, dass wiederholte Torsionsbelastungen der
Wirbelsäule während der Wachstumsphase eine der möglichen Ursachen für die
Entstehung des unvollständigen Knochendurchbaus von Wirbelkörperbögen
(Spondylolyse) und dem damit verbundenen Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) ist.
Gerade weil beim Golfen diese beschleunigten Torsionsbelastungen in der
unteren Wirbelsäule vorkommen, bestehen durchaus berechtigte Bedenken, dass
durch intensives Golfen im Wachstumsalter die Entstehung einer Spondylolyse bzw.
einer Spondylolisthesis begünstigt wird. Es ist daher eine wichtige Aufgabe als
Sportmediziner und Orthopäde, Kinder und Jugendliche vor der sportlichen
Überbelastung und den damit verbundenen gesundheitlichen Auswirkungen zu
schützen und auch Eltern sowie Trainer auf diese Risiken aufmerksam zu machen.
Für die Golfpraxis sind folgende Konsequenzen und
Schlussfolgerungen für Kinder und Jugendliche relevant:
1.
Golf
ist grundsätzlich geeignet, nicht zuletzt, weil es auch die in diesem
Alter wichtigen koordinativ-motorischen Fähigkeitenfördert. Deshalb wird
im Behindertensport Golf sogar als Therapie eingesetzt.
2. Kinder sollten möglichst polysportiv
gefördert werden, d.h. gleichzeitig mehrere sportliche und körperliche
Aktivitäten ausüben und nicht nur ausschliesslich Golf spielen.
3. Golf sollte vorwiegend über Spielformen
vermittelt werden, die die koordinativ-motorischen Anforderungen, den
Spass an der Bewegung sowie die Spielpräzision in den Vordergrund stellen.
4. Auf jeden Fall sollten nur Golfschläger
verwendet werden, die jeweils dem Entwicklungsstand, den motorischen
Fähigkeiten sowie der Körpergrösse angepasst sind.
5. Kinder müssen nicht immer nur von den
Abschlägen spielen und damit zu möglichst weiten Abschlägen motiviert
werden, sondern können durchaus auch unterwegs, z.B. 100 bis 150 Meter vor
dem Green, aufteen.
6. Für die Wahl
der Belastungs- und Trainingsintensität und der Golfschläger ist das
biologische Alter und nicht das chronologische Alter entscheidend, weil
trotz gleichem Alter z.T. enorme Entwicklungsunterschiede bestehen.
7. Um den Rücken vor unnötigen Belastungen
zu schonen und Gewicht einzusparen, empfiehlt es sich, dass Kinder
entweder nur ein halbes Set an Schlägern tragen oder den Golfbag auf dem
Wagen ziehen sollten.
8. Auf Grund ihres Körperbaus,
Energiebedarfs und Wärmehaushaltes sind Kinder gegenüber ungenügender
Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme und gegenüber Hitzeschlag auf einer
Runde Golf besonders zu schützen.
9.
Wer aus Kindern und Jugendlichen
unbedingt einen kleinen Tiger Woods oder eine kleine Annika Sörenstam
hervorbringen will, ist gut beraten, die Trainingsintensität mit
Sportmedizinern und Orthopäden zu besprechen.
10. Vorsorgliche Untersuchungen haben das
Ziel, bei Kindern und Jugendlichen, die Leistungssport betreiben,
schädigende Belastungen möglichst frühzeitig zu erkennen, um Spätschäden
vermeiden zu können.
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